Depressionen – Neue Studie mit neuen Erkenntnissen und Echtzeitaufnahmen des Gehirns

Depressionen kann jeder neurodiverse Menschen bekommen. Nicht nur Autisten, jedoch gerade wir, haben immer wieder das Problem, dass neben dem für außenstehende Menschen „unsichtbaren Autismus“ wir auch noch depressiv sind, im Sinne der Komorbidität. Schnell wird uns untergeschoben, wir seien „lediglich“ gereizt, unausgeschlafen, oder bei jungen Autisten "unerzogen“. So bekommen wir einen weiteren falschen Stempel aufgedrückt, der leider nicht hilft, weder bei der Unterstützung noch dass es uns wieder besser geht. Nun zeigt eine Studie das erste mal in Echtzeit (fMRT), wie sich die Gehirne von depressiven Menschen gegenüber nicht depressiven Menschen deutlich unterscheiden.

Inhalt:

  1. Einleitung – was sind Depressionen und was nicht
  2. Neue Studie macht Gehirn-Aktivitärten sichtbar
  3. Das frontostriatale Salienznetzwerk – Mehr als nur eine Hirnstruktur
  4. Meine Meinung und Zusammenfassung

Einleitung – was sind Depressionen und was nicht

Der Begriff Depression wird im Alltag oft leichtfertig und fast schon inflationär verwendet, um normale Stimmungsschwankungen oder vorübergehende Traurigkeit einer Person zu beschreiben. Woran das liegt kann meist nicht gesagt werden, jedoch merke ich, dass Menschen, welche die Aussage "ich habe eine Depression" hören, eigentlich ganz gut interpretieren können und so -leider- unbewusst die Stimmungsschwankungen inhaltlich relativ gut zuordnen können.
Mit der Aussage "mir geht es nicht so gut, ich bin etwas antriebslos" kann man heute in einer Gesellschaft, die Zustände immer extremer und voluminöser beschreibt, nicht mehr viel anfangen und wird sehr schnell als "nicht relevant" betrachtet.

Dabei ist eine echte Depression weitaus mehr als nur eine Phase schlechter Laune; sie ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, die tief in das Leben eines Betroffenen eingreift und oft über Monate oder sogar Jahre andauert, bis hin zu chronischen Depressionen, wie zB bei Autisten.

Anders als bei kurzzeitigen Stimmungstiefs, die die meisten Menschen kennen, ist eine Depression durch anhaltende und schwere Niedergeschlagenheit gekennzeichnet, die das Denken, Fühlen und Handeln stark beeinflusst und bis zu einer Art Machtlosigkeit seiner selbst führt. Diese Erkrankung kann so schwerwiegend werden, dass betroffene Personen arbeitsunfähig werden oder sogar Selbstmordgedanken entwickeln oder in den Suizid gehen.

Typische Verhaltensweisen von Menschen, die unter Depressionen leiden, sind oft ein Rückzug aus dem sozialen Leben, ein starker Verlust (komplette Lustlosigkeit) an Interesse an Aktivitäten, die früher Freude bereitet haben, sowie massive Antriebslosigkeit und enormer Müdigkeit.

Viele Betroffene kämpfen mit dem Gefühl der inneren Leere und Hoffnungslosigkeit und leiden oft unter teilweise sehr starken Schlafstörungen und wachen nach 1-2 Stunden schon wieder auf und könnten nicht mehr einschlafen.

Der Weg aus einer Depression ist schwierig und erfordert häufig professionelle Hilfe, da die echte Erkrankung, die Depression, ohne professionelle Hilfe nicht überwunden werden kann.

Neue Studie macht Gehirn-Aktivitärten sichtbar

Der Artikel bei autismus-anders-denken.de hat den Ursprung in der Studie und stellt weitere Links zu Zeitungsartikeln zur Verfügung. Diese Zeitungsartikel sind nach erster Sichtung deutlich einfacher und dennoch inhaltlich gut beschrieben, können jedoch nicht auf die Tiefe der Studie eingehen.

Alle Artikel verweisen auf ein Internet-Archiv und zeigen somit den inhaltlichen Stand an dem der Artikel bei autismus-anders-denken.de erschienen ist.

Das frontostriatale Salienznetzwerk – Mehr als nur eine Hirnstruktur

Die Studie, die im Fachjournal Nature veröffentlicht 1 wurde, untersucht das sogenannte „frontostriatale Salienznetzwerk“, das für die Steuerung der Aufmerksamkeit auf Belohnungen und Bedrohungen verantwortlich ist. Bei Menschen, die unter Depressionen leiden, ist dieses Netzwerk nachweislich deutlich vergrößert. Forscherinnen und Forscher stellten fest, dass es im Durchschnitt um 73% größer ist als bei gesunden nicht-depressiven Personen. Diese Erweiterung könnte darauf hindeuten, dass das Gehirn in seiner Funktionalität stark beeinträchtigt ist, was zu einer geringeren Effizienz und Effektivität bei anderen mentalen Prozessen führt. Kurz: eine Depression schränkt einen depressiven Menschen in seinem Tun und Handeln massiv ein.

Diese Entdeckung basiert auf der Anwendung von "Precision Functional Mapping", einer Methode, die es über ein fMRT2 ermöglicht, individuelle Hirnnetzwerke präzise zu kartieren. Dabei wird die Größe und Topografie von Gehirnnetzwerken nicht nur in einer Momentaufnahme, sondern über längere Zeiträume hinweg und bei wiederholten Scans gemessen. 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass das vergrößerte Salienznetzwerk bei depressiven Menschen über die Zeit hinweg stabil bleibt, unabhängig davon, ob sich die betroffene Person in einer depressiven Episode oder einer symptomfreien Phase befindet.

Scans zeigten bei depressiven Personen das frontostriatale Salienznetzwerk im Durchschnitt um 73 % erweitert 3 . Quelle und Copyright: siehe 3

Mehr zur Striatofrontalen Dysfunktion bei Wikipedia:

Zitat: "Von einer Striatofrontalen Dysfunktion (auch Fronto-striatale Dysfunktion) spricht man in den Neurowissenschaften bzw. in der Hirnforschung, wenn Funktionsstörungen bestimmter neuronaler Regelkreise vorliegen, deren wesentliche Bestandteile das Striatum (ein Teil der Basalganglien) und das Frontalhirn sind …" 4

Meine Meinung und Zusammenfassung

Ich empfinde es als großartig, dass wir nun zum Thema Depressionen wieder einen Schritt weiter sind. Bei mir hat sich auch die Erkenntnis gebildet, dass der Begriff Depressionen gerne und leider viel zu oft falsch angewendet wird. Danke "C" (wie immer) für den außerordentlich guten Austausch.

Das Problem dabei ist, dass alle, die wirklich unter Depressionen leiden, weniger ernst und weniger wahrgenommen werden. Somit ist aber auch den Menschen, die ein Stimmungstief haben, nicht geholfen, da sie fälschlicherweise ungenaue Angaben zu ihrem Befinden machen. 

Menschen mit echten Depressionen haben zu ihrem echten Leiden das Problem, dass sie wiederum wenig ernst genommen werden, da der Begriff zu inflationär benutzt wird. Vielleicht hilft auch ein Blick in die Suizidrate5 in Deutschland.

Bei Autisten ist diese „versteckte Depression“ auch gerne autistische Depression genannt, ein viel diskutiertes Thema. Wir wissen oft nicht, was uns in diese „dunklen Löcher“ zieht: die Depression, oder als Autist nicht akzeptiert und durch übergriffiges Verhalten uns zu „neurotypischen“ Menschen verbiegen zu wollen.

Nehmt uns Autisten wahr und seid so emphatisch, wie es immer über neurotypischen Menschen gesagt wird.

Allen eine gute Zeit.

Quellen/Hinweise/Fußnoten:

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay