Wenn die austistischen Kinder zur Weihnachtszeit wieder mal autistisch sind

Jedes Jahr am Jahresende, ab so Mitte November, geht es los mit den ganzen familiären Dramen. Zu viel von „allem“, könnte man sagen. Ach, und auch den Allisten können die Unmengen der Reize (optisch, akustisch, sensorisch) zu viel werden? … dann kann man vielleicht erahnen, wie es Autisten schätzungsweise 365 Tage pro Jahr geht, da wir in eine Welt gepresst werden, die wir so niemals gestalten würden. Aber das wisst ihr ja alle schon. Auch hier in der Runde kam zum Thema Weihnachtszeit eine Frage dazu auf, deren Antwort ich hier gerne teilen möchte.

Die Fragen und Antworten im FAQ-Bereich sind aus verschiedenen Quellen, wie Gesprächen, Dialogen aus Foren, oder öffentlichen Diskussionen.

Die Frage

Es ist Weihnachtszeit und plötzlich fällt mein Kind (fallen Jugendliche oder Erwachsene) in extrem „autistisches Verhalten“ zurück und schreien, sind verbal aggressiv, oder sonst „total komisch“ und vor allem unausstehlich. Am Wochenende ziehen sie sich dann vielleicht dann auch noch unerwartet komplett zurück, verstummen, haben zu nichts Lust und liegen am Wochenende mehr oder weniger komplett im Bett und wollen ihre Ruhe haben.

Meine Antwort dazu

Ja, das mit dem Wochenende im Bett liegen, das kenne ich auch … wiederum ebenfalls von anderen Autisten, die nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern leben. Dieses autistische Verhalten – ich liebe diesen Satz … so überhaupt gar nicht – legen wir an den Tag, wenn man uns mit Gewalt in eine Situation drängt, die zu viel für uns ist. Das ist, gelinde gesagt, übergriffig. In so einer Situation laut schreien und um sich schlagen ist keine (!) bewusste Handlung, sondern eine unbewusste Reaktion auf dieses „es ist zu viel“. Man kann sich das eher so vorstellen, dass diese Reaktion aus heiterem Himmel passiert, ohne überlegen und einfach so.

Es ist auch weder Vorsatz (böse Absicht) dabei, noch ist es ein geplantes und gut gemeintes Vorgehen und – auch sehr wichtig – es ist keine schlechte Erziehung durch die Eltern.

Gerade bei Kindern, Jugendlichen und auch bei Erwachsenen ist das eher der Fall, wenn diese sich nicht zudem auch noch eloquent aus der Situation herausreden können. Und noch ein „und“ … und, dies hat nichts mit der EQ oder dem IQ zu tun. Dieses Verhalten wurde mir auch mal von einer (geprüften und gesicherten) hochbegabten Person mitgeteilt. Wenn ich mich richtig erinnere, nennt man das gerne auch mal maladaptive oder dysfunktionale Coping-Strategie. Also etwas, das am Ende nicht zur Besserung beiträgt (einfach formuliert). Ich konnte auch erst im späten Erwachsenen-Alter meinem Gegenüber mitteilen, was mich wahnsinnig gemacht hat. Früher litten bei mir Spielzeuge und Sportgeräte (bspw. Tennisschläger) darunter … indem ich diese zerstört habe. Ging es mir danach besser … mhhh, aus heutiger und sehr bewusster Sicht: nein. Denn ich war einfach in Summe überlastet und das ist ja dann nicht plötzlich weg, nur weil man etwa ein Spielzeugauto zertreten hat. ## Tipp für Menschen im Umfeld: Mir (und auch anderen) hilft, wenn ich mich nach einer übermäßigen Reizüberflutung ins Bett lege und den Rollladen herunterlasse. Dann noch die Kopfhörer aufsetzen, sodass ich nichts mehr mitbekomme und dann ist es auch gut. Meist esse ich dann noch eine Tüte Chips, eine Tafel Schokolade und trinke ein Spezi – natürlich immer die gleichen Sorten. Wenn mir dann noch „jemand“ 40 Chicken Mc Nuggets vorsichtig aufs Bett legt, ist das großartig. 

Aber fragen darf man mich nicht danach, denn da ist die Antwort ohnehin „nein“, wie immer, weil ja ungesund, nicht nachhaltig und so … Und jede Frage, im Sinne von „Kann ich noch was für Dich tun?“ kostet mich noch mehr Kraft und treibt mich in den Wahnsinn … Diese Reizüberflutungen enden bei mir auch gerne, leider sehr gerne, in einem Meltdown, was mich dann zwischen 2 und 4 Tagen außer Gefecht setzt. Gerade viele Mütter kennen sicherlich das Gefühl, wenn sie in der Weihnachtszeit nicht mehr können und nur noch auf einer einsamen Insel sein wollen, weil nur noch „Idioten“ (ich bitte um Nachsicht für diese Formulierung) um sie herum sind: die Schule, die Familie, die Nachbarn, die Ämter, …

Kommentar

Nach so umfangreichen Reizüberflutungen sind wir Autisten innerlich ausgeblutet, genervt, gereizt und mit unseren Kräften komplett am Ende. Wir können und wollen nicht mehr.

Dabei ist es aus meiner Sicht wichtig zu verstehen, dass immer wieder das gleiche übergriffige Verhalten von außen auf uns einwirkt, dass wir so nicht wollen, und wir uns so nicht aussuchen möchten. Wir suchen es uns nicht freiwillig aus, zu Onkel „X“ und Oma „Y“ zum Adventskaffee zu gehen, wenn sich dort die ganze Familie zum Weihnachtskaffee mit Plätzchen trifft.

Gerade bei jungen autistischen Menschen ist zur Weihnachtszeit in der Schule eh schon viel los. Daher sind wir, bereits mehr als üblich, im Alltag den hohen Reizüberflutungen ausgesetzt. Jedoch habe ich das Gefühl, dass die Weihnachtszeit für alle Menschen ein „es ist zu viel“ ist.

Nehmt Rücksicht aufeinander und jeder sollte etwas mehr Ruhe bekommen. Kommt gut durch die Zeit und passt auf Euch auf.


Quellen/Hinweise/Fußnoten:

Bild von Arek Socha auf Pixabay